::: Mittwoch, 19. Juni :::
Nach unserem Frühstück bekamen wir von unserem Gastgeber Edward netterweise ein kleine Karte und die Versicherung, dass sich in Nieul endlich ein EC-Automat befinden würde. Den Weg bis dorthin fanden wir dann auch ganz gut, wenn auch (wie schon öfter) einige eingezeichnete Wege nicht existierten. In Nieul selbst konnten wir dann endlich Euro tanken und in einer Bar mit sehr gut Deutsch sprechendem Barkeeper einen Happen essen. Ausserdem schickten wir am Schloßplatz unseren Brief samt Bildern, Tagebucheinträgen und alten Karten an Christian ab. Leider mussten wir wieder kartenlos von dannen ziehen, da der Supermarkt diesbezüglich nichts zu bieten hatte.

Beim Aufsatteln dann der Schock: Cassandra hatte Satteldruck vom Sattelgurt. In einer ersten Panikaktion riefen wir unseren sehr netten und hilfsbereiten deutschen Basislagertierarzt und den Sattelverkäufer an, die beide direkt zurückriefen und uns gute Tips gaben. Wir ritten vorsichtig weiter (mit Sattelgurt hinter der Druckstelle) und nach eineinhalb Stunden kamen wir an ein Ortsschild, das wir eigentlich nicht mehr sehen wollten: Nieul - wir waren anscheinend im Kreis geritten. Nach kurzer Überlegung, was zu tun wäre, entschieden wir uns, unser ursprüngliches Ziel (eine Ziegenfarm) anzupeilen und gegen 21 Uhr kamen wir nach einem Ritt über eine Nationalstrasse dort an.

Da die vorhandene Weide eigentlich für Ziegen vorgesehen war, war der Zaun nicht unbedingt pferdekonform da zu niedrig. Wir bekamen dann eine andere, die mit einem fast unsichtbaren Draht umzäunt war. Diese Tatsache zusammen mit der Drohung der Gastgeber, dass sie stinksauer wären, wenn die Pferde die Bäume anfressen würden, machte uns nicht gerade ein gutes Gefühl. Dooferweise regnete es auch die ganze Zeit über und unser Abendessen musste bei Gewitter in einer Scheuen gekocht und gegessen werden. Zum Glück bot uns die Gastgeberin an, auf dem Klappsofa in ihrem Arbeitszimmer zu übernachten, was wir dankend annahmen.

::: Donnerstag, 20. Juni :::
Um 8 Uhr waren die Pferde glücklicherweise noch da und so konnten wir satteln und um 10 Uhr losreiten. Die Gastgeber stellten sich bei der Verabschiedung auch wieder als sehr nett heraus: sie wollten kein Geld für die Übernachtung und schenkten uns noch Ziegenkäse aus eigener Produktion. Ausserdem erklärten sie uns noch einen sehr coolen Weg an einem Fluss entlang, der diesmal existierte aber dafür nicht in der Karte eingezeichnet war - beides gleichzeitig kann man anscheinend nicht haben...

In St. Victornien-Normandie machten wir bei Baguette und Zeigenkäse Pause am Fluss. Dort lasen wir in unserem Wanderreitführer, dass unser Ziel gar keine Pferdestation ist und wir beschlossen stattdessen zu einem nahe gelegenen Reitstall zu reiten. Und auch hier klappte spontan alles wunderbar: die total nette Gastegeberin spricht super Deutsch (eine ihrer Töchter wohnt in Leverkusen), der Hof wurde kurzerhand zur Weide umfunktioniert und wir bekamen ein Zimmer. Da der Satteldruck von Cassandra trotz regelmässiger Kühlung nicht besser wurde, nahmen wir uns vor, morgen zu fragen, ob wir einen Tag länger bleiben könnten, um den Satteldruck etwas auskurieren zu können.

Nach dem selbstgekochten Abendessen und einer Flasche Rotwein bekamen wir Lust auf mehr und besuchten die Party der Gastgebertochter, wo wir noch Bier, Ricard und Schnaps nachlegten - eine ideale Begleittherapie zu Nelis Antibiotika. Irgendwann fielen wir dann einfach ins Bett - Französisch reden konnten wir eh nicht mehr...

::: Freitag, 21. Juni :::
Nach dem Weckerklingeln um 7.30 Uhr und dem anschliessenden Aufstehen um 10 Uhr fragten wir wegen unserer geplanten weiteren Übernachtung nach, was überhaupt kein Problem war. Frühstück fand dann in der lauschigen Laube statt und Duschen konnten wir auch mal wieder. Dann machten wir uns auf den halbstündigen Fussmarsch in die Stadt Cognac-la-Foret um dort Fussball (Weltmeisterschaft Viertelfinale Deutschland-USA) in einer Kneipe zu gucken. In der ersten Halbzeit zum 1:0 für Deutschland waren wir noch ziemlich alleine, aber zur zweiten Halbzeit hatte der Sohn des Wirtes offensichtlich seine Freunde angerufen: die Kneipe füllte sich und wir wurden zu einem Pernod und dem Stadtfest eingeladen. Zunächst gingen wir allerdings zurück zu den Pferden, um den Satteldruck (der schon viel besser geworden war) zu kühlen und die Satteltaschen für den nächsten Tag zu packen. Wieder in der Stadt angekommen gab es Sandwiches statt des versprochenen Barbecues, Bier und Kinderkaraoke. Die Jungs aus der Bar waren dreisterweise nicht da, was uns eigentlich ganz recht war. Um 22 Uhr kam dann doch Simon mit zwei Freunden und einem Pärchen und wir stellten fest, dass französische Jungens anscheinend eines gerne tun: rudern, obwohl sie eine Harke kriegen. (franz. "rammer" trotz "prendre un razeau" - das heisst baggern, obwohl sie einen Korb bekommen...). Trotzdem unterhielten wir uns noch ganz nett am riesigen Lagerfeuer bis uns um 3 Uhr kalt wurde und wir zurück gebracht wurden.
::: Samstag, 22. Juni :::
Nach nur vier Stunden Schlaf und abermaligem Frühstück in der Laube sattelten wir die Pferde indem wir einen Fahrradschlauch um Cassandras Sattelgurt legten. Plötzlich kam ein Mann in einem Auto an und beguckte sich unsere Pferde und deren Hufe kritisch - es stellte sich heraus, dass er ein Hufschmied mit guten Wanderreitkenntnissen war. Er schlug Hannes und Cassandra die fehlenden Crampons (Stollen) ein und anschliessend ging es zusammen mit unserer Gastgeberin los, die uns noch ein Stück begeleitete (von ihrem Mann verabschiedete sie sich mit "bis in drei Monaten!").

Die Mittagspause fand in St. Laurent-sur-Gorre statt, wo wir leckeren Salat aßen während die Pferde nebenan im Schatten an einer Hauswand angebunden waren. Die 85-jährige Hausbewohnerin freute sich riesig, dass nach 70 Jahren die Anbindehaken zum ersten Mal wieder von Pferden benutzt wurden und so musste ihr Mann gleich Fotos machen, die er uns etwas später ausgedruckt mitgab.

Cassandras Satteldruck hatte sich leider wieder verschlimmert und so führten wir die Pferde die nächsten eineinhalb Stunden bis zur Reitstation Chez Élie bei Champsac. Netterweise fuhr uns die Großmutter der Besitzerin in die nächste Stadt um einzukaufen, so dass es ein stattliches selbstgekochtes Drei-Gänge-Abendmenü mit Kalbsschnitzel in Erbsensahnesoße gab. Danach legten wir uns auf einen Sandplatz - leider konnten wir an diesem Tag keine Station für morgen organisieren.

::: Sonntag, 23. Juni :::
Beim Satteln an diesem morgen bemerkten wir, dass Cassandras Satteldruck schlimmer geworden war und ihr zu dolle weh tat - wir konnten also auf keinen Fall weiterreiten. Wir entschlossen uns zu einem kurzen Ausritt ohne Sattel nach Champagnac-la-Rivière, wo wir vor dem Dorf eine schöne Kleeweide sahen, auf die wir die Pferde stellten. Im Dorf selbst suchten wir nach Verpflegung für uns und fanden auch eine Bar und eine Pizzeria - beide geschlossen. Die zwei Stunden bis zur Öffnung der Bar verbrachten wir mit Schlafen auf einer Wiese und Pferdetränken am Fluss. Dabei bemerkten wir, dass eines von Cassandras Hufeisen fehlte - es lag im Matsch auf der Kleeweide. Da wir gestern ja zufälligerweise einen Hufschmied getroffen hatten, riefen wir bei dem dortigen Reitstall an, wo leider nur der unwissende Sohn am Telefon war.

Die Bar hatte inzwischen geöffnet und wir deckten uns mit Getränken ein. Eine Episserie nebenan gehörte der gleichen Besitzerin (eine Elsässerin, die sehr gut Deutsch sprach) und so konnten wir dort noch Lebensmittel einkaufen, obwohl der Laden noch geschlossen war. Da der Frau auch die Pizzeria gehörte, mussten wir auch hier nicht auf die offizielle Öffnung warten und bekamen all-you-can-eat Pizza mit Salatvorspeise, Eis zum Nachtisch und Wein für schlappe 11,-- Euro.

Nach dem Rückritt mit viel Galopp und Trab - die Pferde waren irre aufgedreht und fit - trafen wir auf dem Hof den Großvater, der Cassandra und Hannes schon auf der Kleeweide bei Champagnac stehen gesehen hatte, und er erlaubte uns, noch einen Tag länger zu bleiben. Ein nochmaliger Anruf im Reitstall von gestern brachte uns die Nummer des Hufschmiedes, dem wir auf den Anrufbeantworter sprachen.

Da es nach Gewitter aussah, legten wir uns zum Schlafen diesmal auf den Strohboden, wo wir nachts auch die Leiter nach oben ziehen konnten, was uns halbwegs sicher erschien. Um 23 Uhr kam allerdings ein Auto angefahren, hielt an, drehte im Hof und fuhr wieder weg. Wir dachten schon an die böse Dorfjugend und uns wurde etwas mulmig. Als sich das Ganze dann um 1 Uhr wiederholte, hatten wir richtig Schiß: Statt auf unserem halbwegs sicheren Strohboden hockten wir nämlich beide in Unterhose und T-Shirt auf dem Weg vor dem Hof, um dem Ruf der Natur zur folgen (um's mal vornehm auszudrücken)! Als das Auto ankamen rasten wir beide panisch in den Hof und in die Stallgasse und warteten mit einer Forke bewaffnet hinter einer Wand. Diesmal stieg auch noch ein Mann aus, schloß das Tor zum Hof und fuhr wieder weg. Wir hatten echt Schiß.

::: Montag, 24. Juni :::
Nach dem Aufstehen um 7.30 kam die Leiterin des Hofes und organisierte uns einen Hufschmied, der um 11 Uhr kam und Cassandras Eisen kostenlos wieder in Ordnung brachte! Nach ihrer Meinung ist Cassandras Sattelgurt zu hart und so lieh sie uns für die nächsten Wochen einen anderen. Als wir sagten, dass wir wieder ins Dorf wollten, meinte sie, dass Montags alle Läden geschlossen wären und wir doch einfach bei ihr mit der Familie mitessen sollten. Das Geheimnis der französischen Öffnungszeiten konnten wir so zwar nicht weiter ergründen, waren über das leckere Essen aber doch sehr dankbar. Dabei stellte sich auch heraus, was es mit den nächtlichen Autobesuchen gestern auf sich hatte: es war die Leiterin und ihr Mann, die uns gesucht hatten, um zu sehen, ob alles in Ordnung war! Die Nettigkeiten hörten hier allerdings noch nicht auf: nach dem Essen fuhr sie uns zum See nach St. Laurent-sur-Gorre mit Sandstrand, wo wir seit längerem wieder mal Ganzkörperwasserkontakt hatten.

Als Abendessen gab es Benzinkochermiracoli und der weitere Plan war eine Kneipentour in Chalûs mit Simon & Co., die wir ja am Freitag kennengelernt hatten. In dem Dorf war allerdings nicht viel los - zumindest gab es einen EC-Automaten und eine Kneipe mit Bier, sodass es dann doch ein ganz lustiger Abend wurde, bis wir von Simon zurückgefahren wurden. Da am nächsten Tag das deutsche Halbfinalspiel der WM anstand, verabredeten wir uns noch zum Fussballgucken.

::: Dienstag, 25. Juni :::
Nach einer diesmal ereignis- und deshalb angstlosen Nacht ritten wir ohne Sattel ein wenig aus. Beim anschliessenden Füttern standen plötzlich schon Simon und Sebastien vor uns - viel früher als wir gestern abend ausgemacht hatten. Wir machten also die Pferde fertig und rasten dann über die Landstrassen zu Sebastiens Wohnung, wo wir erstaunlicherweise alle gesund und pünktlich ankamen. In der Halbzeitpause zeigte er uns dann, wie Franzosen Fußball spielen - das endete in einem zerbrochenen Badezimmerfenster. Nachdem auch noch Aurelien angekommen und das Fußballspiel abgepfiffen worden war, fuhren wir alle zum See in Cognac mit künstlich angelegtem Sandstrand, wo schwammen, tauchten und Volleyball spielten. Anschliessend gab es dann zusammen mit Simon Milchkaffee in der Bar von Simons Vater und Essen in St. Juen in einer Pizzeria. Vor dieser treffen wir einen 14-jährigen Jungen, der eindeutig als Bruder von Aurelien zu erkennen ist - nach fünf Tagen in der Gegend kennen wir schon alles und jeden!
::: Mittwoch, 26. Juni :::
Auch heute war Cassandras Satteldruck leider noch nicht richtig gut und da die Besitzerin des Reithofs das auch so sah, durften wir nochmals länger bleiben. Da immer noch schönes Wetter war und man von Seen eigentlich nicht genug kriegen kann, ritten wir diesmal mit den Pferden dorthin - und Hannes und Cassandra waren beide total verrückt darauf Schwimmen zu gehen! Zurück im Hof machten wir uns zu Fuß auf nach Champsac um einzukaufen und essen zu gehen. Leider hatte das einzige Restaurant geschlossen. Als wir eine Frau fragten, ob das Restaurant irgendwann aufmachen würde, verneinte sie das und bot uns an, uns ins nächste Restaurant, das eigentlich nur zwei Kilometer entfernt war, zu fahren. Dort konnten wir uns dann an einem Drei-Gänge-Menü für 9,-- Euro laben und uns telefonisch um die nächste Übernachtungsstation kümmern. Da wir noch nicht wussten, wie wir von dort aus wieder zurück zu unserem Hof kommen sollten, nutzen wir die Gelegenheit, als ein Engländer (ca. 45-jährig) am Nebentisch uns fragte, ob er Fotos von uns machen solle. Wir fragten ihn, ob er uns nach Hause fahren könne, was er dann auch tat - allerdings hatte wohl die französische Jungensmentalität auf ihn gewirkt, denn auch er ruderte fleissig (und kriegte entsprechende Harken...)
::: Donnerstag, 27. Juni :::
Um 7 Uhr standen wir heute schon auf, da wir endlich weiterreiten konnten und entsprechend motiviert waren. Der Satteldruck war tatsächlich viel besser geworden und tat Cassandra nicht mehr weh - dummerweise rutschte der Sattel aber immer noch. Die Wege waren diesmal auch extrem schön und wir konnten fast die ganze Zeit einen Wanderweg entlangreiten. Da wir keine Pause machten kamen wir schon um 17 Uhr an unserem Ziel Moulin de Pensol an. Wir bekamen ein super-schickes Zimmer (mit Dusche!) und die Pferde eine riesige Kleeweide. Und auch das Essen war wieder gigantisch: ein Vier-Gänge-Menü mit Aperitif und Wein für wenig Geld. Um 22.30 Uhr schon gingen wir dann zu Bett.
::: Freitag, 28. Juni :::
Dem Abendessen entsprechend war auch das Frühstück mit selbstgemachter Konfitüre und Café-au-lait nicht von schlechten Eltern. Auch diesmal waren die Wege wieder schön und sie führten uns nach St. Sand Lacoussière, wo wir Pause machten. Die Pferde blieben angebunden auf dem Dorfplatz während wir einkauften und in einem Café darauf warteten, das die Post aufmachte, um den nächsten Brief an Christian abzuschicken. Dummerweise hatten wir die französischen Öffnungszeiten überschätzt und als wir dann aufbrachen, hatte die Post (nach zwei Stunden) wieder geschlossen...

Nachdem wir wieder mal im Kreis geritten waren kamen wir dann mit eineinhalbstündiger Verspätung im Ponyclub Milhac-de-Nontron an, wo die Pferde Futter und eine Weide bekamen und wir wieder mit einem Vier-Gänge-Menü und einem Zimmer mit Dusche und Hochbetten verwöhnt wurden.